„Europa- Was nun? Macrons Europa – Perspektiven für die Zukunft“

Erhard Tröster, Forenleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit/ Thomas Dehler Stiftung begrüßte die Schüler- und Lehrerschaft der 10. Klasse und der Oberstufe im Musiksaal des Carl-von-Linde-Gymnasiums. Die Stiftungen übernahmen die Finanzierung des Vortrags von Dipl.SC.Pol.Univ.M.A., Ingmar Niemann, Politikberater und Hochschuldozent u.a. an der FH in Kempten, der der Einladung von Angelika Brunner, Lehrkraft für Wirtschaft und Recht, gerne gefolgt war. Das Thema: „EU- was nun? /Macrons Europa- Perspektiven für die Zukunft “ war vor allem für die Leitfächer Sozialkunde, Wirtschaft/ Recht und Französisch von großem Interesse.

Niemann begann mit der Frage „Wo liegt die Mitte Europas? “ und kam über die Grenzen Europas auf die Probleme Europas zu sprechen, wie Exit, Populismus, Terror, Schuldenausgleich und Währungsvielfalt.

Über einen geschichtlichen Rückblick auf die Einführung des Euros ging der Politologe fachspezifischer auf Finanzstrategien, Finanzrepressionen, u.a. auf die Forderungen von Grexit und Dexit ein. Über Chancen und Risiken leitete er dann zur wirtschaftspolitischen Situation Frankreich und zur Person Macron, der seit Mitte 2017 Präsident Frankreich regiert. Dramatisch sinkende Wettbewerbsfähigkeit, geringe Anziehungskraft für ausländische Investoren, ein stetig fallendes Lebensniveau, eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent und ein im Ausland hoch verschuldeter Staat. Niemann monierte zudem die hohe Staatsquote von rund 60 Prozent, viele französische Unternehmen seien mischfinanziert aus öffentlichem und privatem Kapital. Der Referent projizierte ein „teuflisches Viereck“ an die Wand: Hohe Staatsverschuldung, hohe Staatsausgaben, hohe Steuerbelastung und hohe Arbeitslosigkeit hielten die Ökonomie Frankreichs im Würgegriff.

Wer aber ist der neue starke Mann Frankreichs, der sich nach seinem Amtsantritt zeitnah der Europapolitik widmete: „Ich will mehr Europa und ich will es mit Deutschland!“ und „Wir haben gemeinsame Interessen, unsere Krisen sind gemeinsame Krisen“, sind Statements des politischen Shooting-Stars. Die EU sei zu langsam, zu schwach und zu ineffizient, kritisiert Macron und fordert beispielsweise ein EU-Finanzministerium, ein gemeinsames Verteidigungsbudget, eine einheitliche Asylpolitik sowie eine Angleichung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU-Mitgliedsländer. Ferner möchte Macron die deutsch-französische Partnerschaft vertiefen, nach dem Brexit-Votum Großbritanniens wichtiger denn je.

Die interessierten Zuhörer erfuhren über Macron, dass er ein typischer Vertreter der französischen Oberschicht ist. Er studierte „öffentliche Verwaltung“ an der Grande École Nationale d‘Administration (ENA) in Straßburg und war vor seiner ministerialen Tätigkeit u.a. als Investbanker bei Rothschild & Cie. tätig. Im Kabinett des gescheiterten Staatspräsidenten Francois Hollande war Macron Wirtschaftsminister gewesen, als Mitglied der Parti Socialiste trat er im Sommer 2016 als Wirtschaftsminister zurück.

Seine Reformvorschläge stoßen bei einigen Mitgliedsstaaten auf Zustimmung, bei anderen aber auf erhebliche Skepsis: Viel zu viele Schulden, zu wenig Möglichkeiten Schulden abzubauen. Niemann mahnte die Zuhörerschaft: „es braucht kreative Ideen um in der Welt mithalten zu können. Apple, Alphabet, Microsoft und Amazon- zeigen auf wie mit kreative Ideen die neue Welt funktioniert. Die EU kann da nicht mehr mithalten“.

Der Referent malt eher ein düsteres Bild von der Zukunft des europäischen Arbeitsmarktes.

Er prangert die negativen bildungspolitischen Auswirkungen des Bologna-Prozesses (europäische Studienreform) auf das Bildungsniveau Europas an, der einen „Brain drain“ zur Folge hat, denn hoch ausgebildete Europäer wandern mangels adäquater Arbeitsstellen bevorzugt in Länder wie Neuseeland, Kanada und USA aus und gefährden damit die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf dem digitalen Arbeitsmarkt. Bereits in 10 Jahren wird sich die Digitalisierung auf unseren Arbeitsmarkt verheerend auswirken, denn 25% der derzeitigen Arbeitsplätze wird es nicht mehr geben. Der Markt der Zukunft bestimmt sich außerdem immer mehr fremd: „bereits heute sind wir schon „Fremdarbeiter im eigenen Land“ Die Übernahme deutscher Unternehmen durch asiatische Großunternehmen hat weitreichende Folgen für Deutschland.

Chinas Geheimrezept Exportweltmeister (integrierte Schaltungen, Büromaschinenteile, Telefone, Rundfunk- und Fernsehgeräte, Computer) geworden zu sein, basiert auf dem Rat Konfuzius: diszipliniertes Arbeiten , von den Besten kopieren und weiterentwickeln.

Immer mehr chinesische Unternehmen sind auf der Suche nach Technologien und Innovationen aus Europa, speziell aus Deutschland. Vor allem während der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise nutzten unzählige chinesische Unternehmen die wirtschaftlich schwierige Lage vieler mittelständischer Technologie- und Marktführer in Deutschland und kauften günstig Unternehmensbeteiligungen. Zu den Hauptmotiven der chinesischen Konkurrenten zählen der Zugang zu technologischem Know-how, genauso wie die Sicherung der eigenen Marktposition sowohl auf dem chinesischen als auch deutschen und europäischen Markt. Fokusbranchen sind: Elektronik, Erneuerbare Energien, Maschinenbau sowie diverse Mischkonzerne. Darüber hinaus hat China seine Exportüberschüsse jahrelang in US-Anleihen gesteckt. Nun besitzt China amerikanische Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Billion Dollar. Damit ist China weltweit größter Gläubiger der USA.

Durch die Zuwanderung u.a. aus osteuropäischen Ländern wird die Bevölkerung und damit die Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland nicht abnehmen und Engpässe erleichtern. Zudem steht Europa eine neue Welle der Völkerwanderung bevor, die enorme globale Probleme mit sich bringen wird.

Auf die Frage: „Was können die jungen Europäer, unsere Schüler tun, um sich eine Perspektive auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu schaffen, antwortete Niemann ganz nüchtern:

„Lernen Sie Fremdsprachen! Fließendes Englisch wird vorausgesetzt, vorteilhaft sind drei Fremdsprachen zusätzlich, davon zwei europäische Sprachen und eine nicht europäische Sprache. Außerdem legen die Unternehmen von heute viel Wert auf Allgemeinwissen. Darüber hinaus sind Fachwissen und gute Noten, vor allem im Uniabschluss (Prädikatsexamen) unabdinglich. Können Sie dann auch noch ein „I-Tüpfelchen „setzen, in Form einer Sie charakterisierenden Fähigkeit bzw. Fertigkeit wird es Ihnen gelingen sich gegen eine Vielzahl von Mitbewerbern durchzusetzen. “

Nachdem Herr Ingmar Niemann noch einigen Fragen aus dem Publikum beantwortet hatte, wurde er mit viel Applaus verabschiedet. Dank auch an die Stiftungen, die es der Schule ermöglicht haben einen so kompetenten Redner für die Schule gewinnen zu können.

Angelika Brunner

 

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