Ovidjahr 2017

 „…et quod temptabam dicere, versus erat…“ (…und was ich zu sagen versuchte, es war ein Vers…) – so Ovid in seinen „Tristia“ (IV,X,V.26). 

Vielleicht gibt es keinen treffenderen Satz für Ovids Genialität als diese Selbstaussage, denn Ovid hat ein gewaltiges, vielschichtiges Werk hinterlassen, das schon die Antike tief beeindruckt hat: Liebesdichtung, Briefe, Lehrgedicht, Exildichtung und die hochberühmten „Metamorphosen“ (griech. „metamorphe“ = die Verwandlung). Alle Werke zeugen von der großen Schöpferkraft des Dichters und die Metamorphosen selbst sind ein gigantisches Opus im Versmaß des Hexameters, bestehend aus etwa 250 Verwandlungsgeschichten (Kleinepen) von insgesamt ca. 12 000 Versen. Erzählt wird darin Ovids Sicht von der Entstehung der Welt bis zu Kaiser Augustus, die Mythen der griechischen und römischen Antike, wobei das Prinzip des „omnia mutantur“ (alles verändert sich) eine stete Veränderung und Entwicklung der Welt mit sich bringt. 

Ovids „Metamorphosen“ gehören heute zur Weltliteratur, ihre Wirkungsgeschichte in der europäischen Kulturgeschichte ist riesig, denn noch viele Jahrhunderte nach Ovid haben Mittelalter, Renaissance und Neuzeit ihr Wissen über antike Mythologie aus den „Metamorphosen“ bezogen. Ungezählt sind in den Bereichen der Kunst (bildende Kunst, Literatur, Musik, Film usw.) die Werke, deren Künstler sich von Ovids „Metamorphosen“ inspirieren ließen.

Doch auch das persönliche Schicksal Ovids geht einem gerade heute nahe: Geboren in Sulmona, einer kleinen italienischen Stadt in der Region Abruzzen (Abbildung: Ovid-Statue in Sulmona), gelangte Ovid zu Ansehen und literarischem Ruhm in der Weltstadt Rom. Doch dann erfuhr er das „omnia mutantur“ (s. o.) am eigenen Leib: Was auch immer seinen tiefen Fall ausgelöst hat – sein Werk „Ars amatoria“ (Die Liebeskunst), eine Affäre mit einer hohen Dame des Kaiserhauses oder gar politische Kritik an Kaiser Augustus – Ovid starb, ohne je wieder die Heimat gesehen zu haben, in der Verbannung am Schwarzen Meer (Rumänien).

Das Ovidjahr 2017 (Ovid: gestorben 17/18 n. Chr.) will an diesen großen Dichter der Antike erinnern.

 

Aktuelle Unterrichtsprojekte mit Ovid am CvL (ab Schuljahr 2016/17)

Anlässlich dieses Jubiläums wurden folgende Projekte am Carl-von-Linde-Gymnasium verwirklicht.

Ovid in Augsburg (Q11, Antikentage)

 Als Schüler begegnet man Ovid im Unterricht hauptsächlich bei der Lektüre der Metamorphosen (10. Klasse). Da aber heuer zum Andenken an den großen Dichter das Ovid-Jahr ausgerufen wurde, näherten wir (Latein-Kurs der Q11) uns Ovid auf eine ganz andere Weise an. 

Im Rahmen der Antikentage besuchten wir das Schaezlerpalais in Augsburg, das als Besonderheit bildnerische Darstellungen zu Ovids Metamorphosen präsentiert: Auf mehr als 30 Gemälden, den sog. Supraporten, also Gemälden über den Durchgangstüren der Räume, hat der Barockmaler Joseph Christ entscheidende Situationen der Metamorphosen künstlerisch illustriert. In drei Referaten (Der Sturz des Phaeton, Dädalus und Ikarus, Narcissus und Echo) verglichen Mitschüler Bildinhalt und das lateinische Original und interpretierten den Zusammenhang von Gemälde und Text, wodurch uns ein tieferer Zugang ermöglicht wurde (siehe Beispiel eines Handouts). 

Wie genau und detailreich der Maler Ovids Metamorphosen dargestellt hat, zeigte sich bei unserem abschließenden gemeinsamen Rundgang, bei dem wir ganz viele verschiedene Bildinhalte auf die entsprechenden Mythen zurückführen konnten (Apollo und Daphne, Latona und die lykischen Bauern, die drei Parzen, Theseus und Perseus). Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei die bildliche Darstellung von „Minerva verwandelt Arachne in eine Spinne“ – eine Komposition, die reichen Diskussionsstoff lieferte (s. Bild).

(Benjamin Spöttle; Exkursion: Frau Frehner, Herr Dietrich)

Apollo und Daphne – eine kreative Umsetzung (Kl. 10 a,b)

Der Mythos von Apollo und Daphne handelt von der unerfüllten Liebe des Gottes Apollo für die Nymphe Daphne, die sich nach einer wilden Jagd dem Zugriff des liebestollen Gottes letztendlich nur durch die Verwandlung in einen Lorbeerbaum entziehen kann. Diese Metamorphose Daphnes, die ihr der eigene göttliche Vater gewährte, stellte der Bildhauer Gian Lorenzo Bernini 1625 in einer berühmten Marmorskulptur dar. Dass sich auch unter den Schülerinnen und Schülern der Klasse 10 a,b künstlerische Talente befinden, zeigt die Auswahl von Schülerproduktionen, welche den Mythos in unterschiedlicher Form kreativ umsetzten. 

Daphnes Verwandlung in „laurea“, einen Lorbeerbaum, aus dem Gott Apollo dann – zum Trost - einen Ehrenkranz für sich und alle künftigen Siegertypen flocht, stellten Naomi Meizel, Lina Schmidtberg und Andrea Ujvari dar. Apollos stürmische Annäherung, beflügelt auch durch Gott Amor, thematisierten Pauline Theuer, Renitha Ponnudurai und Philipp Wrenger in Bild und Text. 

(Anregungen: Herr Ehlers, Frau Frehner)

Bunte Ideen zu Ovids Metamorphosen

Vom Brettspiel bis zu einem Hörspiel, von einer Fotostory bis zu kämpfenden, rappenden Göttern in einem Kurzfilm – Ovids Metamorphosen erwiesen sich für Schüler der 10. Kl. (10a,b) am Schuljahresende als fast unerschöpflicher Fundus, um selbst produktiv zu werden.

Und so entstanden verschiedenste Kreationen zu berühmten Metamorphosen, der Fantasie waren dabei keine Grenzen gesetzt: In einer Fotostory zu „Daedalus und Ikarus“ agieren weibliche Akteure, „Narziss und Echo“ mutieren zu einem originellen Hörspiel und der Mythos von „Apoll und Daphne“ wird in einem aufwändig produzierten Kurzfilm mit Science-Fiction-Elementen ergänzt.

Neben einer literarischen Umgestaltung des „Raubs der Proserpina“ (50 Schades of Hades) beeindruckt auch ein Mini-Triptychon zu „Orpheus und Eurydike“, gemalt auf dem handgeschriebenen Originaltext.

Auch das Brettspiel von den 4 Zeitaltern kann sich sehen lassen, das samt Spielanleitung und Fragekarten in Gruppenarbeit erstellt wurde. Die farbliche Gestaltung hält sich dabei eng an Ovids Verse vom Niedergang der Welt – vom paradiesischen, goldenen Zeitalter („aurea aetas“), über das silberne und eherne zur verbrecherischen Epoche aus Eisen. Vor allem der künstlerisch-handwerklichen Gruppe ist es zu verdanken (Leitung: Naomi Meizel), dass die anfänglich so zahlreichen und heiß diskutierten Ideen dann auch in einem vorzeigbaren, einheitlichen Produkt verwirklicht wurden.

(Projekte: Herr Ehlers, Frau Frehner)

 

Bisherige Aktivitäten zu Ovid:

Am Carl-von-Linde-Gymnasium wurden aber auch schon in den vergangenen Jahren verschiedene Unterrichtsprojekte durchgeführt, bei denen bestimmte Themen von Ovids Dichtungen im Mittelpunkt standen (siehe Aufstellung).

  • Eigenproduktion: Theaterstück „Ovid reloaded“ (Unterstufe)

Anmerkungen der Spielleiterin:

Ovids Metamorphosen sind immer wieder aufs Neue interessant und amüsant und fangen die Schüler ein - leider liest man sie erst in der 10. Klasse, obwohl sich auch die jüngeren Schüler von den Erzählungen faszinieren lassen. Darum wurden die „Metamorphosen“ als Theaterstück für die Unterstufe modern adaptiert, und zwar lustig-amüsant – von der Entstehung der Welt bis zu den Figuren Eurydike, Daphne, Tantalus etc., die die Schülerinnen und Schüler mit Begeisterung spielten.

Spätestens nach diesem Theaterstück wussten alle, warum der Mensch auf zwei Beinen geht oder VW sein Auto besser nicht Phaeton nennen sollte...

(Spielleitung: Frau Schiegg)

 

  • Latein-Exkursion und Latein-Oper (Mittelstufe): Ovids „Metamorphosen“ einmal anders!

Umfangreiche Bilderzyklen zu Ovids „Metamorphosen“ können in der Stadtresidenz Landshut, erbaut von Herzog Ludwig X., bewundert werden. Deshalb war dieser Renaissance-Palast (16. Jh.) Ziel einer Latein-Exkursion in der 9. Kl.: Ob antike Götterwelt oder die berühmten Mythen, der Reichtum der antikisierenden Bilderwelt in den vielen Räumen (Apollo-, Arachne-, Diana-, Bacchus-Zimmer usw.) dieses Prachtbaus ist schier unerschöpflich.

Die kleine lateinische Oper „Apollo et Hyacinthus“ (Libretto verfasst von einem Benediktinerpater) wäre wohl für immer in der Versenkung verschwunden, wenn man nicht seinerzeit ein 11-jähriges Wunderkind damit beauftragt hätte, die Komposition für den lateinischen Text zu liefern: Es war Wolfgang Amadeus Mozart, der, obwohl er aufgrund seiner Konzertreisen in ganz Europa nur ganz wenig Latein lernen konnte, die Partitur dazu schrieb (1767): Und so wird diese dreiaktige Oper, deren Stoffgeschichte Ovid im 10. Buch seiner Metamorphosen überliefert, dank der Musik des 11-jährigen genialen Mozart heute noch aufgeführt. Besucht wurde eine Aufführung in München (musikalische Leitung: C. Kelnberger, Moderation: W. Stroh).

(Exkursionen: Frau Frehner)

 

  • Kunstunterricht (Oberstufe): „Metamorphose eines Baumes“ – in Anlehnung an Ovid

Bei dieser offenen Themenstellung war es die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, gegenständliche Motive mit einem Baum zusammenzuführen – und zwar unter Verwendung surrealistischer Elemente.

Technik: Radierung

  • Kunstunterricht (10. Kl.) 

Variationen zu „Apollo und Daphne“ 

Zu den berühmtesten Frauengestalten in Ovids „Metamorphosen“ zählt Daphne, die - von Gott Apollo begehrt – sich durch eine Verwandlung in einen Lorbeerbaum ihm entziehen kann. Infolge dieser Wesensänderung werden Daphnes Gliedmaßen zu Ästen und ihr Leib wird zum Baumstamm – die einst so dynamische Nymphe wird nicht nur ihrer menschlichen Fähigkeiten beraubt, sie erstarrt auch in einer dauerhaften Fixierung. 

„…in frondem crines, in ramos bracchia crescunt,

pes, modo tam velox, pigris radicibus haeret…“ (Ovid, met. I, 550f.)

(…die Haare wachsen zu Laub, die Arme zu Ästen; der Fuß, eben noch so flink, haftet an zähen Wurzeln…)

Auch dieses Sujet, die Metamorphose eines lebendigen Menschen in einen starren Baum, war Gegenstand im Kunstunterricht. Besonders gelungene Arbeiten wurden im Schulhaus präsentiert.

Technik: Radierung, Tuschezeichnung

(Beide Projekte: Herr Bölle)

 

Ovidose

Im Fach Kunst erarbeitete eine andere 10. Klasse eine begehbare Rauminstallation zu einer Metamorphose von Ovid: Latona und die lykischen Bauern

Der Mythos: Einmal war die Göttin Latona – unerkannt - mitten im heißen Sommer in Lykien unterwegs. Als sie für ihre kleinen Kinder aus einem Teich Wasser schöpfen wollte, verwehrten ihr die Bauern – unter Drohungen und Lästern – den Zutritt zur Wasserstelle.

Zur Strafe für diese Unmenschlichkeit wurden die Bauern von der Göttin darauf in aufgeblasene Frösche verwandelt. 

Für die Installation kamen Blechdosen zum Einsatz, aus denen Frösche mit menschlichen Gliedmaßen kletterten. Diese wurden im Spalier auf Tischen aufgestellt. So konnten Schüler und Besucher im Schulhaus zwischen ihnen durchlaufen. Dazu setzte ein Bewegungsmelder die eigens dafür komponierte Musik in Gang. Folgendes, von den Schülern gesungene Zitat war dazu mehrstimmig vertont worden:

„Quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant“  (Ovid, met. VI, 376)

(Obwohl sie unter Wasser leben, versuchen sie unter Wasser zu lästern.) 

Über mehrere Tage erklang immer wieder dieser, an ein Quaken erinnernde Sound im Schulhaus, und die Frösche riefen bei den Besuchern der Installation ein Schmunzeln hervor. Ovid aus der Dose – die bösen Lykischen Bauern vergisst kein Schüler mehr so schnell!

(Rauminstallation: Frau Ringholz-Rank)

A. Frehner (Fachbetreuerin Latein)